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Seit’ an Seit’ – mit RWE

IG BCE und ver.di als Anhängsel des Konzerns und der nordrhein-westfälischen Landesregierung

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von Helmut Born, Düsseldorf

Im Vorfeld des DGB-Bundeskongresses im Mai 2018 gab es eine heftige Auseinandersetzung um einen positiven Bezug auf die Klimaschutzziele der Bundesregierung. In einem Antrag des DGB-Bundesvorstandes zur Klimapolitik, und hier besonders zur Energie- und Mobilitätspolitik, wurden die Klimaschutzziele von Paris ausdrücklich unterstützt. IG BCE und IG Metall hatten im Vorfeld des Kongresses, gegen die Stimme von ver.di, dafür gesorgt, dass diese Positionierung aus dem Antrag gestrichen wurde.

Dass der positive Bezug zu den Klimazielen am Ende doch wieder, wenn auch deutlich abgeschwächt, in den Antrag aufgenommen wurde, ist den darauf folgenden Protesten, auch in der Öffentlichkeit, zu verdanken.

Es war zu erwarten, dass die IG BCE, wie schon bei der Atomenergie, auch bei der Beendigung der Braunkohleförderung und Verbrennung auf der Bremse stehen würde. Sie spielt sich als Verteidigerin der Arbeitsplätze in den Revieren auf, die aber, wie alle wissen, so oder so nur noch für einen begrenzten Zeitraum bestehen werden.

Anstatt mit den Anwohner*innen und der Klimabewegung gemeinsam dafür zu sorgen, dass für die heute noch rund 20.000 Beschäftigten in den Revieren im Rheinland, in der Lausitz und in Brandenburg zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen, steht sie an der Seite der Stromkonzerne und beharrt auf eine Technologie, die extrem schädlich und dabei unnötig ist.

Strukturwandel nicht Konzernen überlassen

Ver.di ist da theoretisch ein Stück weiter. Schon 2016 kam eine von ihr in Auftrag gegebene Studie zum »Sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung« zum Ergebnis, dass eben dieser Ausstieg möglich sei. Die Gewerkschaft fordert dabei eine Absicherung der Arbeitsplätze und Einkommen für alle Beschäftigten in den Revieren und Kraftwerken. Dafür müsste ein Fonds gebildet werden, der aus den Erlösen aus den CO2-Zertifikaten oder aus einem Aufschlag auf den Strompreis finanziert werden sollte. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung soll bis 2038 abgeschlossen sein. Dies müsste aber in den entsprechenden Regionen und Kraftwerken umgesetzt werden. Hierbei geht es sich ja nicht nur darum, für ältere Kolleg*innen gute Regelungen für den Übergang in die Rente zu vereinbaren.

Allerdings schweigt sich diese Studie zur Umsetzung aus. Wenn der Strukturwandel gelingen soll, ist die Einbeziehung der Beschäftigten, der ortsansässigen Bevölkerung, der Gewerkschaften, der Umweltexpert*innen und der kommunalen politischen Gremien erforderlich. Das Beispiel des Ruhrgebietes zeigt wie es nicht laufen darf: den Strukturwandel nur den Konzernen und der Politik überlassen und eine ganze Region zum Armenhaus verkommen lassen.

Die Praxis bei ver.di sieht anders aus. Auch wenn immer wieder die Notwendigkeit des Strukturwandels betont wird, herrscht vor Ort oft ein anderer Ton. So hängen vor den Kraftwerken im rheinischen Revier die heftigsten Transparente nicht von der IG BCE sondern von ver.di, wie »Kein Bild, kein Ton? Deutschland ohne Braunkohlestrom« oder »Energiewende ohne Braunkohle nicht machbar«.

Will man so junge Menschen ansprechen, deren Zukunft da gerade verfeuert wird?

Zum Klimacamp 2018 hatte die IG BCE ihre alte Kampagne »Schnauze voll – von Gewalt durch Klimaaktivisten« wieder aufleben lassen. 2016 wurde diese Kampagne initiiert, um gegen die Klimabewegung vorzugehen, noch ohne Beteiligung von ver.di. Diesmal waren die zwei ver.di-Bezirke aus der Region mit dabei. Dabei wurde deutlich, dass beide Gewerkschaften offensichtlich das Ziel haben, die Förderung und Verstromung der Braunkohle so lange wie möglich zu verlängern.

Dabei hatte der ver.di-Gewerkschaftsrat im März 2016 beschlossen, den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung »schnellstmöglich« zu realisieren. Es ist davon auszugehen, dass dies auch heute noch die Meinung der Mehrheit der Mitglieder bei ver.di ist. Dem zuständigen Fachbereich ist es aber gelungen, seine Position als diejenige der Gesamtorganisation erscheinen zu lassen.

CO2-neutrale Zukunft

In der Auseinandersetzung um die Rodung des Restes des Hambacher Waldes stehen beide Gewerkschaften fest an der Seite des Energiekonzerns RWE und der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Sie halten die Rodung weiterhin für erforderlich, damit der Abbau weitergehen kann und damit die Stromversorgung, vor allem für die Industrie, gesichert wird.

Dies haben sie auf der Demonstration am 24. Oktober mehr als deutlich gemacht, zu der sie aus Anlass des Besuchs der Kohlekommission aufgerufen hatten. Als Hauptredner waren dort der Vorsitzende der Kohlekommission, Matthias Platzek, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und der IG BCE Vorsitzende Michael Vassiliadis aufgetreten. An dieser Demonstration beteiligten sich auch Vertreter der AfD mit eigenen Fahnen und Plakaten, auf denen sie sich als Verteidiger der Arbeitsplätze aufspielen konnten. Ferner waren Plakatwände mit ver.di-Logo am Rande der Demo angebracht worden, auf denen gegen die Klimabewegung gehetzt wurde.

Es wird Zeit, dass beide Gewerkschaften sich endlich besinnen und von ihrer ideologischen Verblendung Abschied nehmen. Anstatt mit RWE gemeinsam Klimaschutz zu verhindern, sollten sie sich aktiv in den Strukturwandelprozess in den Revieren einbringen. Nur wenn ihnen dies gelingt und die Beschäftigten einbezogen werden, wird es gelingen, den Kolleg*innen eine Perspektive zu geben.

Es reicht nicht aus, der Politik und den Konzernen das Feld zu überlassen. Vielmehr sollten IG BCE und ver.di Kontakt mit den Initiativen, den Umweltverbänden und den kommunalen Gremien aufnehmen. Es gilt nicht nur neue Arbeitsplätze zu schaffen, sondern die Reviere auf eine CO2-freie Zukunft auszurichten. Da dies oft im Gegensatz zu den Interessen großer Konzerne steht, sollten die Ideen aus der Bevölkerung intensiv miteinbezogen werden. Dann wird auch der Abschied von der Braunkohle kein schmerzhafter Prozess, sondern ein neuer Aufbruch.

Helmut Born ist Mitglied des ver.di-Landesbezirksvorstands Nordrhein-Westfalen und der Initiative »Gewerkschafter*innen für Klimaschutz«, labournet.de/Klimagewerkschafter