Betrieb und Gewerkschaft, Debatte

Beteiligungsorientierung – ein weiterer Debattenbeitrag

eine Antwort von Michael Quetting auf den Beitrag von Peter Narog

Lieber Peter,

schön geschrieben, aber spiegelst du wirklich vollständig die komplexen Zusammenhänge wider?

Als du bei Mercedes anfingst, da war noch manches anders. Eins hast du erkannt, es waren nur Männer. Was schließen wir daraus?

Du bist ganz bewusst als Linker zur Arbeiterklasse gegangen, wolltest Klassenbewusstsein vermitteln. Dieses bewusste in die Klasse hineingehen – das kennen wir heute nicht so.

Der dich werben wollte, ich glaube nicht, dass er ein Versichertenvertreter war, er hatte sowas wie einen Klasseninstinkt und wollte nicht zulassen, dass man sich außerhalb der Solidarität stellt. Ein Bild, was wir heute schmerzlich vermissen. Wir wären weiter, wenn es von dieser Sorte heute noch mehr gäbe.

Wenn wir den Opportunismus verstehen wollen, dann müssen wir uns mit dem Imperialismus befassen, mit den ökonomischen Wurzeln des Opportunismus. Und da ist etwas spannendes passiert. Diese ökonomischen Bedingungen haben sich geändert, auch die ideologischen Bedingungen mangels Existenz von UdSSR und DDR. Der sogenannte rheinische Kapitalismus hat keine ökonomische Grundlage und keine ideologische Notwendigkeit mehr. Es gibt ihn nicht mehr oder nicht mehr so. Bestimmte Formen der Sozialpartnerschaft und der Stellvertreterpolitik sind gar nicht mehr möglich.

Du sprichst vom Dienstleistungsbereich – wie stellt sich der Klassenkampf dort dar? Große Gruppen, insbesondere Frauen, wurden in die Arbeiterklasse gestoßen. Die Form der Reproduktion muss anders organisiert werden, wenn das deutsche Kapital auf dem Weltmarkt weiter die Nase vorn haben will.

Ich rede nicht von Beteiligungsorientierung, ich rede von Klassenbewusstsein, das entwickelt werden muss. Die Befreiung der Arbeiter kann nur das Werk der Arbeiter sein. Und diese Kämpfe haben immer etwas mit der Dialektik von Führung und Masse, von Bewusstsein und Klasse zu tun, von der Befähigung zum eigenen Handeln. Diese Befähigung muss von uns Sozialisten bewusst und behutsam in die Klasse getragen werden. Damit dies von Dauer ist und sich Teile der Klasse nicht abkapseln und erneut zu einer Arbeiteraristokratie werden, muss es Partizipation geben. Nur durch eigenes Handeln kann sich Bewusstsein entwickeln. So ist unsere Aufgabe, Menschen zum Handeln zu bringen.

Es gibt dazu eine objektive Notwendigkeit, du deutest das an. Die Gewerkschaft muss die Schule des Klassenkampfs sein. Darüber haben wir in Braunschweig auch diskutiert. In diesen Kämpfen wird sich auch die Gewerkschaftsführung wandeln müssen. Dein Bild von oben und unten ist zu einfach. Ja, die Strukturen sind verkrustet und manches ist sehr ärgerlich. Und doch, es bewegt sich was, und vieles eben mit dem Apparat.

ver.di hat nun jahrelang einen Vorsitzenden, der sich durch kämpferische Positionen auszeichnete, der sogar durch Kongressbeschlüsse (Tarifeinheit) bereit war, seine Meinung zu ändern. Er machte ver.di zu einer großen, in vielen Dingen sehr fortschrittlichen, Massenorganisation. Und in dieser Organisation war und ist es sogar möglich, sich als Linker zu vernetzen.

Das gab es früher nicht. Als nach dem Faschismus die Einheitsgewerkschaft gegründet wurde, da mussten die Sozialpartner alles dafür tun, diese Arbeiterklasse ruhig zu bekommen, dazu musste man die linken Kräfte entfernen, die KPD kochte ihr eigenes sektiererisches Süppchen. Die Folge war, dass im Prinzip der DGB gesäubert wurde. Danach achtete man in panischer Angst darauf, dass nicht neue linke Nester entstehen konnten, ganze Teamer-Arbeitskreise wurden aufgelöst, Zeitungen und Flugblätter verboten. etc. Als Linker hatte man es tatsächlich deutlich schwerer als heute. Aber natürlich wollten wir in die Gewerkschaften, dort waren ja die Arbeiterklasse und die Subjekte, die eine Änderung herbeiführen könnten.

Nun, du hast recht, auch die Diskussion über die Abschaffung des kapitalistischen Systems ist Teil unserer Arbeit. Deswegen organisieren wir heute den Aufstand der Kolleginnen gegen den Pflegenotstand und vermitteln im Kampf das Bewusstsein, dass wir Power haben und etwas bewegen können.

Michel