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Frankreich: Die Bewegung der „gelben Westen“

Die Bewegung der gelben Westen ist von Autofahrern ausgegangen. Sie protestieren gegen das Ansteigen der Benzinpreise aufgrund der Erhöhung der Steuern auf Diesel.

ein Bericht von A.V., Marseille

In Frankreich sind seit vielen Jahren die Steuern für Diesel niedrig gewesen, was viele Leute dazu trieb, Dieselfahrzeuge zu kaufen. Nun werden die Steuern auf Diesel erhöht. Auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken sind Appelle für Blockaden gestartet worden. Der Beginn dieser Blockaden war Samstag der 17. November. Nach Regierungsangaben haben sich an diesem Tag über 280.000 Menschen an über 2.000 Punkten versammelt, Straßen blockiert, demonstriert, die Autobahnen besetzt. Seitdem dauern die Blockaden an.

Wenn Parteien wie La France Insoumise oder die rechtsextreme Rassemblement National diese Bewegung in den Medien unterstützen, tragen sie jedoch offiziell nicht zur Organisation bei. Auf diesen Straßenblockaden hört man vor allem die Wut der Menschen gegen Macron und seine Regierung. Die Lebensbedingungen der Mehrheit der Franzosen verschlechtern sich seit Jahren und insbesondere seit Macron an der Macht ist. Er hat Steuern für die Reichen gestrichen („ISF“ auf Französisch), die Steuerlast für Rentner und die Beamten erhöht („CSG“), das Wohnungsgeld gekürzt und gleichzeitig eine jährliche Steuersenkung von 40 Milliarden für die Unternehmen durchgebracht („CICE“).

Die Inflation steigt stärker an, die Gehälter stagnieren, sie sinken de facto. Nun sollen die Autofahrer gerade in den mittelgroßen Städten noch mehr für Sprit ausgeben, obwohl es keine anderen Verkehrsmittel gibt und man immer wieder von der höheren Bereitschaft zur Mobilität spricht, die Arbeiter mitbringen sollen. Die große Mehrheit der Menschen weiß, dass diese Steuer nicht für den Umweltschutz ausgegeben wird. Wie auch, wenn zum Beispiel im Rahmen der Staatsbahnreform immer mehr Strecken geschlossen werden. Das gesamte französische Steuersystem ist ungerecht. Die Arbeiter zahlen verglichen zu ihren Gehältern viel mehr Steuern als die Reichen, die Aktionäre, die Bourgeoisie.

Macron hat vor einigen Wochen zu einem Arbeitslosen gesagt, es genüge, die Straße zu überqueren, um eine Arbeit zu finden. Heute überqueren, blockieren tausende Franzosen die Straßen und rufen „Macron Démission“, „Macron Rücktritt“. Macron hat mit seiner Politik für die Reichen, für die Bourgeoisie, mit seiner Arroganz (er sagte auch kürzlich einer Rentnerin, sie solle sich nicht beklagen) über 75 % der Franzosen, also im Grunde die gesamte Arbeiterklasse, gegen sich aufgebracht.

Um das Feuer nicht stärker zu entfachen, haben die Sicherheitskräfte, die am Samstag den 17. November zum sehr großen Teil nicht wussten, wo die Blockaden und Demos stattfinden würden, zurückhaltend reagiert. Seit Montag hat sich jedoch die Lage geändert. Seit Samstag blockieren tausende von Arbeitern, Handwerkern und – das fällt auf – viele Frauen die Straßen Frankreichs. Die Bewegung ist stärker in den mittleren Städten. In Paris gab es am 17. November jedoch auch Aktionen, über tausend Demonstranten sind praktisch bis vor das Elysee-Palast gekommen – ein Ziel, das sie angekündigt hatten. Nun versucht die Regierung, die Bewegung zu kriminalisieren, die Demonstranten als Zerstörer darzustellen. Auch wenn die Bewegung zurzeit gerade etwas abebbt, bleibt sie sehr populär. Und sie hat sich ein neues Ziel gesetzt: die Demo vom 24. November in Paris.

Die Demonstranten wollen den Rücktritt von Macron und wissen, dass die Macht im Elysee-Palast liegt.

Mit Ausnahme der Lastfahrergewerkschaft von Force ouvrière, die seit gestern zur Unterstützung der Bewegung aufruft, werden die „gelben Westen“ jedoch von den großen Gewerkschaftsverbänden bisher nicht unterstützt. Die CGT ruft zu einer schon zuvor geplanten Demo am 1. Dezember auf. Es wird der bürgerlichen Presse überlassen, von einer potentiell rechtsextremen Bewegung zu sprechen. Viele fragen sich, warum die Gewerkschaftsführungen warten, sich der Bewegung anzuschließen. Das Gleiche gilt für die France Insoumise, die bisher als Organisation nicht in den Kampf eingetreten ist. Der bekannte Abgeordnete der France Insoumise François Ruffin hat am Abend des 21. November im Fernsehen erklärt, dass die France Inoumise nicht den Rücktritt von Macron fordere, aber wenn Macron weiterhin nur die Interessen der grossen Unternehmen verteidigen würde, dann müsste er gehen. Diese mangelnde Entschlossenheit und politische Klarheit helfen der Regierung. François Ruffin fordert eine Senkung der Steuern auf Benzin, mehr Steuergerechtigkeit, die Wiedereinführung der Reichensteuer. Das ist richtig. Das sind auch Forderungen, die die Gewerkschaften mit in die Bewegung einbringen können.

Die Frage der Macht stellt sich im Grunde. Bisher wollen weder die France Insoumise noch die Gewerkschaftsführungen zum Sturz der Regierung beitragen. Am Samstag den 24. November wollen die „gelben Westen“ auf Paris zuströmen, um von der Regierung gehört zu werden. Es ist anzunehmen, dass diese Arbeiter und verarmten Mittelschichten, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, auf den Elysee-Palast werden laufen wollen. Sie haben Recht. Gewerkschaften könnten heute eine klare Plattform von Forderungen entwickeln und bei der Organisation dieser Demonstration ihre Hilfe anbieten.