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Corona und der Zustand des Gesundheitswesens

Zum jetzigen Zeitpunkt stellt das Corona-Virus weiterhin eine große Bedrohung dar, es ist bisher noch nicht ersichtlich, wie sich die Lage in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten weiterentwickeln wird. Hier am Universitätsklinikum Frankfurt ist die ganze Belegschaft in Alarmbereitschaft versetzt, täglich finden Umstrukturierungen statt.  Es ist dies auch eine Krise unseres politischen und ökonomischen Systems. Profitinteresse und Marktmechanismen verschärfen die ohnehin schon schwerwiegenden Probleme.

Der Personalmangel im deutschen Gesundheitswesen, vor allem im Bereich des Pflegepersonals, hat zuletzt Widerstand hervorgerufen. Beginnend mit der Charité in Berlin entstand eine bundesweite Tarifbewegung, die sich für mehr Personal in den Kliniken und bessere Arbeitsbedingungen stark macht und bereits erste Erfolge erzielen konnte. Doch jetzt offenbart sich der Personalmangel in krassester Form. Die Bundesregierung möchte innerhalb kürzester Zeit die Zahl der Intensivbetten verdoppeln, um sich so auf die bevorstehende Katastrophe vorzubereiten. Man fragt sich, woher das qualifizierte Personal herkommen soll. Man erahnt das kommende Chaos, die Überstrapazierung der Ressourcen, die zu erbringenden Opfer– Überstunden, Doppelschichten, psychische Belastungen,…

Die tieferen Ursachen der Corona-Krise

Auch wenn wir es in gewissem Maße mit einer Naturkatastrophe zu tun haben – solange es Leben auf der Erde gibt, wird es auch gefährliche Mikroben geben – das Ausmaß dieser Katastrophe ist hausgemacht. Deutsche Politiker schufen ein Paradies für Großkonzerne, indem man die Steuerlast senkte, einen Niedriglohnsektor schuf und soziale Sicherungssysteme abbaute. Dies alles ging auf Kosten der Allgemeinheit. Das Primat der Privatwirtschaft bedeutete auch, dass man den öffentlichen Sektor zusammenkürzte. Anfang der 1990er Jahre arbeiteten noch 6,7 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst, heute sind es nur noch 4,8 Millionen. Wohin die Reise hingehen  sollte, zeigt die Krankenhaus-Studie der Bertelsmannstiftung, die zu dem Schluss kam, in Deutschland sollten bundesweit tausend Krankenhäuser geschlossen werden.

Gerade jetzt zeigt sich aber deutlich, dass es die meist schlecht bezahlten Dienstleistungen sind, die für das Funktionieren der Gesellschaft unabdingbar sind – sie sind systemrelevant. Neoliberale Hofschreiberlinge argumentierten gerne, dass ein „aufgeblähter“ öffentlicher Dienst die Privatwirtschaft allzu stark steuerlich belaste und damit für Stagnation sorge. Heute wirkt dies eher wie ein schlechter Witz.  

DRG-System

Wir können nur hoffen, dass wir mit einem blauen Auge aus der Corona-Pandemie kommen, und unser Gesundheitswesen nicht so schwer belastet wird wie in Italien oder Spanien. Doch hat das neoliberale Spardiktat besonders in unserem Gesundheitssystem gewütet. Ein Hauptmechanismus war die Einführung des DRG-Systems im Jahr 2003, das über diagnosebezogene Fallpauschalen Marktmechanismen in die Krankenhausversorgung eingeführt hat.  Es löste eine bedarfsorientierte Finanzierung ab. Krankenhäuser erhielten nun Fallpauschalen für die Behandlung eines Patienten, was erst einmal harmlos klingt.

Doch die Auswirkungen sind fatal. Denn dies bedeutet, dass mit zunehmender Liegedauer des Patienten der Kostendruck auf die Klinik steigt. Gerade kleinere, kommunale Krankenhäuser gerieten in den letzten Jahren in existenzielle Nöte, während die großen privaten Klinikbetreiber, unter anderem durch Spezialisierung, einen großen Reibach machen konnten. Mit dem öffentlichen Gut der Gesundheitsvorsorge machen heute (reiche) Aktionäre private Kasse. Neben der Verkürzung der Liegedauer war ein weiterer Mechanismus zur Kostensenkung der Personalabbau und Outsourcing  Wo früher 5 Leute in der Frühschicht waren, sind es heute nur noch 3 und unsere Kolleg*innen aus der Reinigung müssen schon seit Jahren für schlechtere Löhne arbeiten.

Für einen Neuanfang nach Corona! Packen wir es an.

Neben all den Gefahren und bereits bestehenden negativen Auswirkungen der Corona-Krise bietet diese auch eine Chance. Es gilt nun, sich vorzubereiten auf die Zeit nach Corona und dann muss es heißen: Wir wollen mehr! Und so geht es nicht weiter! Für einen Neuanfang im Gesundheitswesen! Denn unter dem Stichwort „systemrelevante Berufe“ erfahren besonders die Gesundheitsberufe eine Aufwertung in der öffentlichen Wahrnehmung. Dies gilt es in bare Münze zu verwandeln, das wären vor allem bessere Personalausstattung und bessere Bezahlung. Denn von „Klatschen für die Pflege“ können wir nicht unsere Miete bezahlen. Auch wenn wir aktuell keine Versammlungen einberufen können, müssen wir uns stärker vernetzen, um mit neuer Kraft aus der Corona-Krise zu treten. Schon jetzt müssen wir Forderungen formulieren und damit an den Arbeitgeber herantreten, um ihm nicht das Spielfeld zu überlassen. Denn sonst wird die Ausnahmesituation genutzt, um auch zukünftig Arbeitnehmerrechte zu unterlaufen. Längerfristig gilt es auch, für einen Umbau des Gesundheitswesens einzustehen. Wir müssen weg von den Mechanismen der kapitalistischen Verwertungslogik, hin zu einer Gesundheitsversorgung, bei der Patienten und Beschäftigte an erster Stelle stehen. Gesundheit kostet Geld, weg vom Ziel der schwarzen Null!

Wir fordern in der aktuellen Krise:

  • Eine Erschwerniszulage für ALLE Beschäftigten im Krankenhaus von 500 Euro monatlich
  • Gesund bleiben am Arbeitsplatz
    • Tests nach ungeschütztem Kontakt auf COVID19 für Beschäftigte auch ohne Symptome
    • Bereitstellung von genügend Schutzkleidung – nach bisherigen Hygienestandards
    • Dienstbefreiung für positiv getestete Beschäftigte
    • Ausreichend Ruhezeiten
  • Freiwilligkeit als Prinzip bei Versetzungen und Arbeitszeitänderungen
  • Sieben zusätzliche Erholungstage, und die Übertragung von Urlaub in das Jahr 2021

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