Das Konzept der linken Gallionsfigur Alexandria Ocasio-Cortez verbindet ökologische und soziale Forderungen. Wer es durchsetzen will, muss die Eigentumsfrage stellen
von Meg Strader und Harris Lieberman, Seattle
»Ich will eure Hoffnung nicht. Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. Und dann möchte ich, dass ihr handelt wie in einer Krise. Ich will, dass ihr handelt als würde euer Haus in Flammen stehen. Denn es steht in Flammen.« Dies sagte die schwedische Schülerin Greta Thunberg in einer Rede beim Davoser Weltwirtschaftsforum im Januar 2019.
Thunbergs Bewegung »Fridays For Future« hat Millionen Schüler*innen auf der ganzen Welt inspiriert. In den USA wird diese Revolte junger Menschen auch durch die Wut auf Präsident Donald Trump angetrieben, der den Klimawandel schlicht leugnet. Die Forderung nach einem Green New Deal ist Teil eines Aufstands gegen diesen Milliardärspräsidenten und sein rechtes Programm zur Steigerung der Konzernprofite.
Die Schüler*innen unterstreichen die Dringlichkeit ihrer Forderungen. Laut Weltklimarat, dem UN-Gremium, das wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel zusammenträgt, müssen die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 bis 60 Prozent reduziert werden, um eine beispiellose Katastrophe für Umwelt und Menschheit noch zu verhindern. Sofort zu handeln, ist die einzige vernünftige Schlussfolgerung. Darauf zielt Alexandria Ocasio-Cortez’s Green New Deal ab. Darin werden Wohnen, Verkehr, Gesundheitsversorgung, Armut, Bildung und ein Ende von Diskriminierung basierend auf Herkunft, Ethnie oder Religion als Teil von Klimagerechtigkeit verstanden. Deshalb beinhaltet der Deal Forderungen nach umfassender Gesundheitsversorgung für alle, massiven Investitionen in bezahlbares Wohnen und vieles mehr.
Heftiger Widerstand
Kein Wunder, dass Ocasio-Cortez mit diesem Plan auf heftigen Widerstand stieß. Ihr Green New Deal wurde im März 2019 im Senat von allen republikanischen Senatoren und vier Demokraten abgelehnt. Unter den Wähler*innen findet er hingegen eine große Mehrheit. Einer Umfrage zufolge unterstützen 92 Prozent der Anhänger*innen der Demokratischen Partei den Green New Deal, unter den Republikanern sind es 64 Prozent (The Hill, 17. Dezember 2018).
Donald Trump hat die globale Erwärmung wiederholt als »Schwindel« bezeichnet. Die Politiker*innen der Demokratischen Partei leugnen den Klimawandel zwar nicht. Doch in ihrer praktischen Politik unterscheiden sich die Demokraten nicht so sehr von der republikanischen Konkurrenz. »Die neun Demokraten, die von der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, für den Sonderausschuss zur Klimakrise ausgewählt wurden, erhielten in der Legislaturperiode 2018 insgesamt 198.000 Dollar von den politischen Aktionskomitees der fossilen Energieindustrie«, berichtete Huff Post im Februar 2019. Kein Wunder, dass unter ihrer Führung keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen werden.
Klar ist: Ohne einen massiven Aufruhr der Umweltbewegung wird der Green New Deal nicht einmal das demokratisch dominierte Repräsentantenhaus passieren.
Eigentumsfrage
Leider wird bislang in dem Paket des Green New Deal nicht erklärt, wie man gegen die Übermacht der auf fossiler Energie basierenden Konzerne ankommen kann. Der industrielle Komplex aus fossilen Brennstoffen, Auto-, Flugzeug- und Militärindustrie dominiert seit Jahrzehnten die Wirtschaft weltweit. Die Ansammlung von Kapital, das in diesen Branchen gebunden ist, ist enorm. Es ist in Fabriken, Grundstücken, Ölförderrechten, aber auch in Technologien, Patenten, Lieferketten und Wissen über Verbraucher*innen, Ausbildung der Arbeiter*innen und ihrer Fähigkeiten enthalten. Im Kapitalismus werden die Eigentümer der Energiewirtschaft und der großen Industrien, die auf fossile Energien angewiesen sind, ihre Gewinne nicht ohne Kampf aufgeben.
»Nur 100 Unternehmen sind seit 1988 für mehr als 70 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich«, berichtete der Guardian im Sommer 2017. »ExxonMobil, Shell, BP und Chevron zählen zu den emissionsstärksten privaten Unternehmen seit 1988.« Die aggressivsten Teile dieser Industrie trieben die USA in zwei Irak-Kriege, in anhaltende interventionistische Politik im gesamten Nahen Osten, jahrzehntelange Beziehungen zum reaktionären saudischen Königreich, versuchte und vollendete Putsche in Venezuela, Iran, Irak und unzähligen anderen Ländern.
Wer einen Green New Deal für unseren Planeten ernsthaft in Angriff nehmen will, muss es mit den mächtigsten Macht- und Kapitalgruppen der Geschichte aufnehmen. Dafür brauchen wir einen Plan, wie wir die Entscheidungsmacht in die Hände der Gesellschaft legen können. Man kann nicht kontrollieren, was man nicht besitzt. Um die Macht der fossilen Brennstoffindustrie zu brechen, wird es also notwendig sein, die Industrie zu demokratisieren. Und zwar, indem die großen Energie- und Industriekonzerne in demokratisch kontrollierten, öffentlichen Besitz überführt werden. Ist das der Fall, könnten ihre Ressourcen statt in fossile Brennstoffe in saubere Energie investiert werden. Und in Technologien, die den Planeten schon jetzt verändern könnten – wenn sie nicht von Unternehmen sabotiert würden, die ihre Gewinne gefährdet sehen.
Was ist der Green New Deal?
Alexandria Ocasio-Cortez aus der New Yorker Bronx wurde im November 2018 nach einem Aufstand in den Vorwahlen gegen den langjährigen, etablierten Vertreter der Demokratischen Partei ins Repräsentantenhaus gewählt.
Am 7. Februar 2019 schlug sie gemeinsam mit dem Senator Edward Markey einen »Green-New-Deal« für die USA vor. Er beinhaltet eine Bekämpfung der Klimakrise und geht zugleich die soziale Ungerechtigkeit im Land an. Es soll ein umfangreiches Investitionsprogramm aufgelegt werden:
◼ ein Zehn-Jahres-Plan, um die Treibhausgasemissionen bis 2030 auf Null zu senken
◼ Umstellung auf 100 Prozent saubere und erneuerbare Energien
◼ gerechter Übergang und wirtschaftliche Absicherung für alle Beschäftigten und Regionen, die von der Industrie der fossilen Brennstoffe abhängig sind
◼ Schaffung Millionen gut bezahlter Arbeitsplätze
◼ Umsetzung wichtiger Reformen wie eine umfassende, qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für alle; Elternzeit, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; Urlaub; sichere Renten; bezahlbare Wohnungen; Ernährungssicherheit für alle Menschen in den USA
Der Artikel ist Teil der Mai-Ausgabe des Magazins „Lernen im Kampf“, das hier bestellt werden kann.