Was tun, wenn die SPD links blinkt?
von Daniel Behruzi
»Wir lassen Hartz IV hinter uns«, verkündete SPD-Chefin Andrea Nahles Mitte Februar. Demnach will die SPD unter anderem langjährigen Beschäftigten länger Arbeitslosengeld I zahlen. Es soll weniger Sanktionen geben. Der gesetzliche Mindestlohn soll auf zwölf Euro angehoben werden.
Man kann damit umgehen wie Katja Kipping, die betonte, das SPD-Papier bleibe »im dunklen Zeitalter der Hartz-IV-Repression verhaftet«. Dies sei kein »wirklicher Abschied« vom Hartz-IV-System, so die Ko-Vorsitzende der LINKEN.
Sie hat selbstverständlich recht. Die von der SPD propagierten Veränderungen bleiben weit hinter dem Notwendigen zurück. Sie sind wahrscheinlich nicht ernst gemeint.
Dennoch könnte Die LINKE mit der neuen SPD-Rhetorik anders umgehen – indem sie sie beim Wort nimmt und Konsequenzen einfordert.
Die LINKE könnte zum Beispiel einen offenen Brief an die SPD schreiben:
Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten,
mit Freude haben wir zur Kenntnis genommen, dass Ihr nun endlich das unter Kanzler Gerhard Schröder geschaffene Hartz-IV-System in Frage stellt und eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro fordert. Das wurde auch Zeit.
Wir halten eure bisherigen Vorschläge für nicht weitgehend genug. Die Regelsätze müssen deutlich erhöht und das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft beseitigt werden. Dennoch bieten wir euch an, die von euch geforderten Verbesserungen zusammen durchzusetzen.
Lasst uns einen gemeinsamen Antrag gegen das Sanktionsregime und für eine sofortige Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro in den Bundestag einbringen. Lasst uns zusammen mit dem DGB, Wohlfahrtsverbänden und Erwerbsloseninitiativen zu einer großen Demonstration in Berlin mobilisieren, wenn dieser Antrag im Parlament behandelt wird. Denn klar ist: Eure Vorschläge werden nicht in der Großen Koalition umgesetzt. Ihr solltet euch entscheiden: Wollt ihr weiter Teil des Problems einer neoliberal geprägten Regierung sein, oder Teil der Lösung?
Mit sozialistischen Grüßen,
euer Bernd und eure Katja
Würde sich die SPD-Spitze darauf einlassen? Wahrscheinlich nicht. Aber ein solches Vorgehen würde sie herausfordern und vor aller Augen deutlich machen, ob sie es ernst meint. Ist das noch nötig? Ist die Sozialdemokratie nicht ohnehin am Ende? Das ist sie über kurz oder lang womöglich. Aber immer noch hoffen nicht Wenige, die eine andere Politik wollen, auf die SPD. Das hat der kurze Hype um den Kanzlerkandidaten Martin Schulz deutlich gemacht, als dieser einen Linksschwenk auch nur andeutete. Die Entwicklungen um Jeremy Corbyn in der britischen Labour Party machen ebenfalls deutlich, dass man die alten sozialdemokratischen Parteien nicht frühzeitig für tot erklären sollte.
Die LINKE kann von der Schwäche der SPD bislang so gut wie nicht profitieren. Offenbar wird sie von vielen nicht als Alternative wahrgenommen. Ein offensiverer Umgang mit den SPD-Positionen könnte daran vielleicht etwas ändern.
Daniel Behruzi ist freiberuflicher Journalist und LINKE-Mitglied in Darmstadt.