Bericht, Die Linke und die Macht

„Studis aller Fakultäten vereinigt euch“

Die erste studentische Vollversammlung an der Uni Leipzig seit sieben Jahren ruft den Klimastreik aus.

von Nicolas, Student der Uni Leipzig

Unter dem Eindruck der internationalen Fridays for Future (FFF) Bewegung gründete sich an diversen deutschen Universitäten die Initiative Students for Future. Seit ihrer Gründung trifft sich die Gruppe der Universität Leipzig, die maßgeblich vom SDS initiiert wurde, wöchentlich mit bis zu 80 Studierenden. Um den internationalen Klimastreik am 24.5.2019 vorzubereiten und die studentische Beteiligung an diesem zu erhöhen, findet derzeit eine Klimawoche mit verschiedenen Treffen und Veranstaltungen statt. In Vorbereitung auf diese Klimawoche sammelten die Studierenden von Students for Future Unterschriften für eine studentische Vollversammlung. Innerhalb von zwei Wochen gaben 9% der Studierendenschaft ihre Unterschrift für die Einberufung einer Vollversammlung, um sich über den anstehenden Klimastreik auszutauschen.

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Überwältigt von dem Zuspruch fand so die erste Vollversammlung der Uni-Leipzig seit 7 Jahren statt. Alle Erwartungen der OrganisatorInnen übertreffend kamen schätzungsweise 1300 Studis zusammen. Der 800 Menschen fassende Audimax war somit randvoll und es musste via Video nach draußen übertragen werden.

Bereits von Anfang an war eine von Frische und von Aufbruch geprägte Stimmung zu vernehmen. So wurde die Veranstaltung komplett von Frauen moderiert, die Redeliste wurde quotiert und die Abstimmungen verliefen basisdemokratisch.

Den Auftakt machten zwei Vertreterinnen von FFF, die über die Anfänge und die Entwicklung ihrer Streiks und über ihre Erfahrung mit Verachtung und Repression sprachen.

Als zweiter Redner wurde der Jenaer Soziologieprofessor Klaus Dörre eingeladen. In seinem 20-minütigen Vortrag stellte dieser zugespitzt, aber dennoch fundiert, den Zusammenhang zwischen der ökologischen und der sozialen Frage dar. Er legte nahe, über Artikel 15 GG und die Eigentumsfrage nachzudenken und beendete seine Rede mit der Frage „Kann eine moderne Gesellschaft eine kapitalistische sein? Nein.“ Dafür erntete er einen Sturm von Beifall.

In den Redebeiträgen aus dem Publikum wurde betont, man solle sich nicht auf Kompromisse fokussieren, sondern dürfe den Konflikt nicht scheuen. Schon gar nicht mit dem „Kackhaufen CDU“. Eine andere Person merkte an, dass man aber trotzdem sowohl in Sprache als auch Struktur niedrigschwellig bleiben müsse. Auch wurde eine andere Gesellschaft zur Debatte gestellt, in der WissenschaftlerInnen und nicht PolitikerInnen die Entscheidungen treffen. Eine Kontroverse gab es nicht.

Klaus Dörre fragte: „Wo setzten wir an mit all diesen Leuten, die hier sind und sich organisieren wollen?“

Mit dem dritten Redner bewiesen die OrganisatorInnen abermals eine bewegungsorientierte Perspektive und ein Gespür für die richtigen Gäste. Eingeladen war der Verkehrspolitische Sprecher der LINKEN Jens Hermann-Kambach. Dieser ermutigte die SchülerInnen und StudentInnen in ihrer Bewegung mit den Worten „Ich bin froh, dass ihr da seid“ und sprach sich dafür aus, die kommenden Tarifverhandlungen im ÖPNV mit der Klimafrage zu verbinden. Er berichtete auch über die derzeitigen Diskussionen über ein 365 Euro Ticket bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) und die Sorge, insbesondere der gering verdienenden KollegInnen, wo das Geld dafür aufgetrieben wird.

Einstimmig beschlossen wurde der Klimastreik ausgerufen. Darüber hinaus und anknüpfend an die Forderungen von FFF wurden in der Vollversammlung folgende Forderungen von Students for Future beschlossen:

  1. Wir, die Studierenden der Universität Leipzig fordern die Stadt Leipzig auf, den Klimanotstand für die Stadt Leipzig auszurufen.
  2. Wir fordern die Universität Leipzig dazu auf, die Forderungen von FFF zu unterstützen und die Studierenden innerhalb der Klimabewegung zu bestärken.
  3. Wir fordern die Universität Leipzig und sämtliche ihr angegliederten Organisationen, wie das StudentInnenwerk, auf, bis 2023 vollständig klimaneutral zu werden und unverzüglich mit Schritten zur Realisierung zu beginnen. Unter anderem muss schnellstmöglich Strom ausschließlich aus erneuerbaren Quellen bezogen werden. Um sofort handlungsfähiger zu werden, soll die Universität Leipzig bis Ende 2019 ihren CO2-Fußabdruck analysieren und umfassend offenlegen.
  4. Wir fordern die Einrichtung eines dauerhaften und kostenlosen Bildungsangebotes an der Universität zu „Klimakrise und Lösungsmöglichkeiten“ für Studierende sowie Nicht-Studierende. Konkret fordern wir, dass in allen Studiengängen entsprechende Schlüsselqualifikationen angeboten werden. Auch für Nicht-Studierende sollen fortlaufend Bildungsveranstaltungen, nach dem Vorbild des Studium Universale, angeboten werden und Mittel dafür bereit gestellt werden.

Die Vollversammlung endete mit den Worten von Svenja, die sagte: „Wir können nicht brav in unseren Vorlesungen sitzen, während die SchülerInnen seit 38 Wochen die Schule schwänzen!“ und dem Sprechchor „Wir sind viele, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“