Debatte, Die Linke und die Macht, Hintergrund, Schwerpunkt

DIE LINKE vor der Bundestagswahl 2017

Zum Jahreswechel 2016/2017 war häufig zu lesen und zu hören, 2016 sei ein schwieriges Jahr gewesen. Auch wir haben die Stärkung reaktionärer Kräfte überall auf der Welt, die Eskalation des Krieges in Syrien, islamistischen Terror, die Entwicklungen in der Türkei, den Aufstieg der AfD in Deutschland usw. usf. mit Sorge beobachtet. Aus unserer Sicht spiegelt sich in diesen Entwicklungen auch die Schwäche der Linken und der Arbeiterbewegung.

Doch zum vollständigen Bild gehören ebenso Phänomene wie Bernie Sanders in den USA oder Jeremy Corbyn im Vereinigten Königreich, die Bewegung gegen die Arbeitsmarktreform in Frankreich oder Arbeitskämpfe in Deutschland, die uns hier auf diesem Blog beschäftigt haben.

Klar ist für uns, dass es unabdingbar ist – auch wenn es weit weg erscheinen mag -, die Arbeiterbewegung neu aufzubauen und sozialistische Ideen zu stärken. Zentrale Herausforderungen bestehen in unseren Augen darin, Gewerkschaften mitaufzubauen und politisch zu stärken sowie darin, an der Schaffung einer Partei für Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und sozial Benachteiligte mitzuarbeiten. In der Linkspartei sehen wir zum jetzigen Zeitpunkt den einzigen Ansatz dafür. Eine für die weitere Zukunft der Partei bedeutende Frage ist das Thema der Regierungsbeteiligung – gerade vor drei wichtigen Landtagswahlen und ein Dreivierteljahr vor der nächsten Bundestagswahl.

Diese Frage hat auch uns in den vergangenen Monaten immer wieder beschäftigt. Wir dokumentieren daher an dieser Stelle einen Diskussionsstand zur Frage der Regierungsbeteiligung und werden in den nächsten Wochen Erwiderungen und offene Fragen nachreichen.


Trump-Schock, knappes Scheitern des FPÖ-Bundespräsidentenkandidaten in Österreich, sehr wahrscheinlicher Einzug der AfD in den Bundestag 2017, möglicher Erfolg des Front National mit Le Pen bei der französischen Präsidentenwahl Ende April 2017 … Spricht vor diesem Hintergrund nicht viel dafür, im Zweifelsfall auf das „kleinere Übel“ zu setzen? Nehmen wir die USA: Zweifelsfrei zeigen die Ängste und Proteste von MigrantInnen, Frauen, Jugendlichen und verschiedenen Teilen der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung seit dem Wahltag, dass Donald Trump das größere Übel bei der Wahl gewesen ist. Nur: Hier zeigt sich auch, dass die Politik des vermeintlich kleineren Übels gescheitert ist. Bernie Sanders, der sich als demokratischer Sozialist verstehend und als Unabhängiger dem Senat angehört, hätte laut Umfragen im vergangenen Sommer bessere Karten als Hillary Clinton gehabt, Trump zu schlagen. Sein Slogan „Für eine politische Revolution gegen die Milliardärsklasse“ stellte eine echte Alternative dar.

Bei der Wählerbefragung am 8. November gaben 25 Prozent an, dass MigrantInnen ohne gültige Papiere abgeschoben werden sollten. Gleichzeitig plädierten allerdings auch 70 Prozent dafür, dass sie „einen legalen Status bekommen sollten“. Es gibt ganz real alarmierende reaktionäre, rassistische Positionen in Teilen der Gesellschaft. Es gibt indes auch sehr viele, die am Wahltag mangels einer Alternative wie Sanders auf sehr verworrene Weise ihren Unmut gegenüber der herrschenden Elite zum Ausdruck bringen wollten. Um so wichtiger, nicht nur Wahlen und Regierungen in den Blick zu nehmen, sondern die Notwendigkeit einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung. Was heißt das nun für die Bundesrepublik und die Aufgaben der LINKEN?

Lafontaine und das Saarland

Oskar Lafontaine hat sich erneut zum Spitzenkandidaten der saarländischen LINKEN für die Landtagswahl am 26. März küren lassen. Möglich, dass er darüber erst mal nur weiter „Aktien im politischen Geschäft“ halten will. Möglich, dass er, wie einige bürgerliche Kommentatoren spekulieren, die Linkspartei im Saarland in die Regierung bringen will. Angesichts der dortigen Stärke der LINKEN ist das nicht auszuschließen, obgleich es alles andere als ausgemacht ist, dass DIE LINKE wieder auf 20 Prozent kommt. Würden – nach Rot-Rot-Grün im Herbst 2016 in Berlin – darüber die Weichen für eine solche Koalition gestellt? Legt die Partei generell im „Regierungshafen“ an?

Bundestagswahl 2017

Am wahrscheinlichsten ist eine Fortführung der Großen Koalition nach der Bundestagswahl. Die Unterstützung der Merkel/Gabriel-Regierung für Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidenten ist ein Beleg dafür. Faktoren, die 2013 galten – fragile ökonomische Lage, politische Instabilität, Vertrauensverlust bei den etablierten Parteien etc. – sind nicht beseitigt, im Gegenteil. Dazu kommt, dass es für andere Konstellationen wahlarithmetisch schwieriger wird – zumal es fast sicher ist, dass die AfD dem neuen Bundestag angehören wird und die FDP derzeit ebenfalls gute Chancen hat, den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen.

Aber natürlich bringt die Destabilisierung es mit sich, dass die Fortsetzung von Schwarz-Rot nicht in trockenen Tüchern ist. Und für die Bürgerlichen ist dies auch nicht gerade eine Wunschregierung, da sie befürchten müssen, dass die Entfremdung vom Establishment neue Nahrung erhält. Gerade für die SPD garantiert das beinahe, im Umfragekeller festzustecken, weshalb die SPD-Spitze Interesse daran hat, andere Optionen zumindest auszuloten. Das gilt aber auch für die Union. Nach Grün-Schwarz in Baden-Württemberg ist eine schwarz-grüne Bundesregierung, nicht zuletzt unter Merkel, nicht auszuschließen. Daimler-Chef Dieter Zetsche besuchte bereits den Bundesparteitag der Grünen – eines von mehreren Indizien, dass Teile der Herrschenden sich mit einer solchen Option anfreunden. Armin Laschet von der NRW-CDU hat eine „Jamaika“-Koalition, also CDU-Grüne-FDP, ins Spiel gebracht: zunächst für NRW nach der Landtagswahl im Mai 2017, dann – vor dem Hintergrund einer solchen Regierung im bevölkerungsreichsten Bundesland (das in der BRD seit den sechziger Jahren immer wieder Vorbote von neuen Koalitionen im Bund war) – auch als Signal für die Bundestagswahl im September.

Aussichten für  Rot-Rot(-Grün)

Aufgrund der politisch bewegten Zeit und der verzweifelten Versuche der SPD-Spitze, aus ihrer Sackgasse rauszufinden, ist Rot-Rot-Grün wahrscheinlicher als in den Vorjahren. Im Herbst 2016 kamen bezeichnenderweise RepräsentantInnen dieser drei Bundestagsfraktionen (aus der zweiten Reihe – wobei Sigmar Gabriel sich anfangs mit reinsetzte) zusammen, um erst mal „Fühler auszustrecken“. Es wurde angekündigt, diese Form von Zusammenkünften fortzusetzen.

Aber, und das ist ein großes Aber, schreckt die herrschende Klasse davor zurück, ein solches Experiment einzugehen bzw. geschehen zu lassen, bevor es den Rechten in der LINKEN gelungen ist, bestimmte Positionen wie die grundsätzliche Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu schleifen. Relevante Kräfte des „Forum Demokratischer Sozialismus“ (fds) haben sich – enttäuscht vom innerparteilichen Widerstand in dieser Frage – von ihrer Hoffnung, hier für die Bundestagswahl 2017 durchzukommen, auf Regierungsbeteiligungen auf Landesebene zurückgezogen.

Zwar gibt es neben der Regierungsbeteiligung der LINKEN in Brandenburg und der Einnahme des Ministerpräsidentenposten in Thüringen nun Rot-Rot-Grün in Berlin, aber auch auf Länderebene kann von einem Durchmarsch keine Rede sein: In Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt schmierten die Verfechter dieses Projekts ab. In NRW, wo die Parteilinke mehr Gewicht als anderswo hat, ist dies nicht die aussichtsreichste Regierungskonstellation. Und der diesjährige Bundesparteitag, wo die Partei-Linken sich bei der Vorstandswahl leicht verbessern konnten, unterstrich, dass weiterhin viel Leben in der Partei ist.

Unsere Position

Wir sind der Ansicht, dass Regierungsbeteiligungen seitens der LINKEN mit pro-kapitalistischen Parteien wie SPD und Grünen prinzipiell abzulehnen sind – ganz gleich, ob in Form einer Tolerierung (wie vormals das „Magdeburger Modell“) noch als Koalition. Wie bereits Rosa Luxemburg in den Debatten der SPD dazu vor 1914 zu Recht argumentierte, würde man Mitverantwortung für die Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse im bürgerlichen Staat übernehmen: Aktives Mitglied der Regierung zu sein, würde – wie Luxemburg 1899 schrieb, mit sich bringen, „die Sache schließlich mitzumachen, die täglich zur Erhaltung und zum Fortlauf der Staatsmaschine in jedem Regierungszweig notwendigen Funktionen zu verrichten, d.h. tatsächlich kein Sozialist, wenigstens nicht in den Grenzen des Regierungsamtes, zu sein“. Es würde darauf hinauslaufen, den Kapitalismus mitzuverwalten. Auf kurz oder lang würde das die eigene Basis dezimieren. Die Wahlergebnisse der früheren PDS sind in diesen Fällen mittelfristig regelrecht eingebrochen.

Bedeutet das, für eine reine Oppositionslinie einzutreten? Keinesfalls. Wir plädieren für Einzelfallentscheidungen. „An der LINKEN würde keine progressive Maßnahme scheitern“, ließe sich argumentieren. Das würde auch für die Abwahl von verhassten rechten Ministerpräsidenten oder Kanzlern gelten.

Dazu kommt: Entscheidend sind gesellschaftliche Kräfteverhältnisse, entscheidend ist Druck von unten. Wenn die Linkspartei „Motor der sozialen Bewegung“ ist – wie es Bernd Riexinger bereits zu Zeiten der WASG als deren Aufgabe formulierte – dann kann sie mit dazu beitragen, dass durch Mobilisierungen auch vorübergehend Verschlechterungen verhindert und Verbesserungen erreicht werden.

In der Kommunistischen Internationale wurde vor der Stalinisierung Mitte der zwanziger Jahre ebenfalls diese Position eingenommen. In Deutschland hielt die frühe KPD sogenannte „Arbeiterregierungen“ für unterstützens- und erstrebenswert, also, wie 1923 z.B. auf Thüringen und Sachsen bezogen, den Eintritt der KPD in eine Regierungskoalition mit der SPD zum Zeitpunkt zugespitzter Klassenauseinandersetzungen mit dem Ziel, eine solche Regierung nicht zur Rettung oder Verwaltung des Kapitalismus zu nutzen, sondern um die Prozesse in Richtung revolutionärer Erhebung voranzutreiben. Das ist allerdings so nicht auf die aktuelle Lage zu übertragen, da sich der Charakter der SPD grundsätzlich gewandelt hat. Sie kann heute nicht mehr als eine „Arbeiterpartei mit bürgerlicher Führung“ bezeichnet werden, wie Lenin das vor hundert Jahren tat. Spätestens seit den 1990er Jahren ist sie eine durch und durch kapitalistische Kraft.

Regierungsfrage und DIE LINKE konkret

Auch wenn Regierungsbeteiligungen der LINKEN aus den genannten Gründen mit SPD und Grünen grundsätzlich abzulehnen sind, halten wir es nicht für richtig, innerparteilich und öffentlich für eine einfache Oppositionshaltung einzutreten. Laut einer Umfrage sollen sich vor der Berlin-Wahl 98 Prozent der LINKE-Wähler für eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen haben. Generell ist es für die meisten potenziellen LINKE-Wähler naheliegend, die Ansicht zu vertreten: „Ist doch besser, das eine oder andere darüber durchzukriegen, selbst wenn wegen SPD undGrünen vieles Wünschenswerte nicht geht“ und „Besser als eine CDU-geführte Regierung ist das doch allemal“.

Es bedeutet eine große Herausforderung für die Linken in der LINKEN, dieser Stimmung Rechnung zu tragen – also auch einen Weg innerhalb der Partei zu finden, aktiv an den Debatten teilzuhaben und flexibel zu argumentieren. Hier ist es nötig, sich auf die jeweiligen Umstände einzulassen und kein „copy/paste“ zu betreiben.

Die meisten werden vor allem über Erfahrungen lernen. Dennoch ist es wichtig (gerade unter AktivistInnen), auch über diese Diskussionen das politische Bewusstsein zu heben.

Die Frage der Durchsetzung in den Mittelpunkt rücken

Wir halten es für essenziell, zwischen Analyse und Argumentation zu unterscheiden. Von daher verabschiedet man sich oft aus der eigentlichen Debatte, wenn man sich darauf beschränkt, eine Regierungsbeteiligung abzulehnen, weil SPD und Grüne halt bürgerlich sind.

Nach der letzten Bundestagswahl 2013 – als Rot-Rot-Grün arithmetisch möglich war, und eine gewisse Diskussion kurz aufflammte – hätte DIE LINKE unserer Meinung nach offensiv sagen sollen: „Natürlich, wir wollen regieren. Wir haben das bessere Programm: Dringend nötig sind eine Einführung des Mindestlohns, die Abschaffung der Hartz-Gesetze, eine massive Besteuerung der Reichen; die Banken und Konzerne, die Milliarden auf der hohen Kante haben, sollen zur Kasse gebeten werden – für gute Bildung, für drastische Investitionen für den Bau einer Millionen Wohnungen im Jahr etc. Wenn SPD und Grüne bereit sind, darüber zu reden, dann verschließen wir uns dem nicht.“

Gleichzeitig müsste dann natürlich auch herausgestellt werden, dass die da oben sich mit Händen und Füßen dagegen wehren würden. Schon als Lafontaine 1998 als Finanzminister nur laut darüber nachdachte, das Finanzsystem stärker zu regulieren und die großen Konzerne massiver zu belangen, luden sich die Größen der Konzerne bei Schröder ins Kanzleramt ein, um massiven Druck dagegen auszuüben. Das ist kein Argument dafür, kleine Brötchen zu backen, sondern zum einen durch Demos, Streiks etc. dagegen zu halten und zum anderen den Kampf für kostenlose Bildung, Gesundheit etc. mit dem Kampf für eine andere, sozialistische Gesellschaft zu verbinden.

Thüringen

In Thüringen bestand die Besonderheit nach der letzten Landtagswahl darin, dass DIE LINKE stärkste Partei wurde. Von daher hätte man da konkret wie folgt argumentieren können: Bodo Ramelow sollte in Sondierungsgesprächen feststellen, wo es inhaltliche Differenzen mit Rot-Grün gibt; er sollte daraufhin darstellen, dass sich SPD und Grüne der Schaffung von Stellen im Öffentlichen Dienst im großen Stil verweigern, die Umkehrung der Klinik-Privatisierungen ablehnen etc. Um sofort zu sagen: Trotzdem, wir wollen ein Ende der CDU-Herrschaft. Ramelow hätte sagen sollen: „Darum werde ich bei der Ministerpräsidentenwahl im Landtag meinen Hut in den Ring werfen. Ich werde ankündigen: Als Erstes gieße ich die wenigen progressiven Forderungen der SPD in Gesetzesanträge und will dazu ein Votum. Dann werde ich Abstimmungen beantragen zur Schaffung von Tausenden Arbeitsplätzen bei Kitas und Schulen etc. SPD und Grüne müssen sich zu nichts verpflichten. Sie können von Fall zu Fall entscheiden. Aber an mir soll eine Wende weg von Sozialabbau nicht scheitern.“

Letztlich wäre das eine „Minderheitsregierung mit sozialistischem Programm“. Sicher, dafür gibt es keine Tradition in der BRD. Aber die Lage war eh wackelig: Eine „Große Koalition“ hatte nur eine Mehrheit von einem Sitz und CDU-Chefin Lieberknecht bekam bei der vorherigen Ministerpräsidentenwahl auch nicht alle Stimmen der Regierungsparteien.

Berlin

Nach der Berlin-Wahl reicht es nicht, auf die zehn Jahre Regierungsbeteiligung der PDS/LINKEN zwischen 2001-2011 zu verweisen. Schließlich erklären Klaus Lederer und Co. heute: Damals musste der Haushalt saniert werden, jetzt haben wir viel bessere Karten. Es gilt, dies zu kontern, also sehr konkrete Gegenargumente auszuarbeiten und zu formulieren.

Knapp 90 Prozent der LINKE-Mitglieder votierten nun für den von den Lederers mit SPD und Grünen ausgehandelten Koalitionsvertrag. Wir gehörten zu denen, die für ein Nein eintraten. Nehmen wir nur die Wohnungspolitik: 6.000 Wohnungen sollen laut Koalitionsvertrag pro Jahr gebaut werden. Besser als nichts? Gegenwärtig fehlen 125.000 Wohnungen und es wird mit 40.000 Zuzügen jährlich gerechnet. Bei den fortbestehenden Machtverhältnissen und dem Verzicht von Rot-Rot-Grün, eine substanzielle Einnahmeerhöhung anzustreben (indem man sich mit den Unternehmen vor Ort anlegt und für mehr Geld vom Bund kämpft), ist davon auszugehen, dass die große Mehrheit der MieterInnen in der Stadt extrem unzufrieden bleiben wird und sich das auch gegen eine LINKE wendet, die auf die Regierungsbank gewechselt ist.

Was ist zu tun? Die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Verbesserungen, auch wenn sie nicht ausreichen, sollte lautstark eingefordert werden. Nach den öffentlichen Aktionen während der Koalitionsverhandlungen gilt es dran zu bleiben: Zum Beispiel sollten die CFM-Beschäftigten durch weitere Mobilisierungen Druck machen, dass die Beteiligung privater Anteilseigner an der CFM tatsächlich beendet wird – im im Koalitionsvertrag angekündigt. Die vollständige Wiedereingliederung in die Charité und die Angleichung an den Tarifvertrag der Charité müssen weiterhin durchgesetzt werden.

Diese Auseinandersetzungen – bei wichtigen Treffen des Senats, bei bestimmten Sitzungen des Abgeordnetenhauses etc. – sollten genutzt werden, um die Diskussionen unter LINKE-Mitgliedern und -Anhängern und betrieblichen/gewerkschaftlichen Aktiven über die Frage von Durchsetzungskraft und Perspektiven für grundlegende Alternativen zu intensivieren.

Dazu gehört auch die Schuldenbremse, die seitens Rot-Rot-Grün nicht in Frage gestellt wird. Dabei handelt es sich um ein Knebelungs- und Erpressungsinstrument der Bürgerlichen. Richtig gefährlich wird es, wenn sie jetzt angeblich umgangen werden soll. Denn: Für künftige Kredite muss das Land Kapital in Form von U-Bahnen, Klinikgebäuden etc. hinterlegen. Wenn es finanziell eng wird und den Forderungen der Banken nicht mehr nachgekommen werden kann, drohen die eigentlich ungewollten Verkäufe landeseigener Unternehmen.

Wir halten die Absegnung der Regierungsbeteiligung wie auch die Werbung der Fraktions- und Parteivorsitzenden (Wagenknecht, Bartsch, Kipping und Riexinger) für die Zustimmung zum Koalitionsvertrag für einen Fehler. Auch in Berlin hätte ein offensives Bekenntnis zu Einzelfallentscheidungen unter einer SPD-Grünen-Minderheitsregierung DIE LINKE in eine weitaus bessere Position gebracht.

Rote Haltelinien

Position der WASG Berlin 2006 im damaligen Wahlkampf war es, jede Regierungsbeteiligung abzulehnen, die Sozialabbau, Privatisierungen etc. betreibt. Das war in der damaligen Situation richtig und bedeutete nicht nur Fundamentalopposition. Das trug einer bestimmten Stimmung in der Stadt Rechnung – vor dem Hintergrund eines gewaltigen Schuldenberges und besonders verheerender Regierungsmaßnahmen (Verkauf städtischer Wohnungsbaugesellschaften etc.).

Bei der LINKE-Veranstaltung am Rande der „Erneuerung durch Streik III“-Konferenz im Oktober in Frankfurt/Main meinte Bernd Riexinger, besser als solche negativen Haltelinien seien positive. Das ist nicht falsch. Diese Haltelinien müssten dann aber sehr klar formuliert sein (z.B. Abschaffung ALLER Hartz-Gesetze, Stopp ALLER Abschiebungen etc.). Gleichzeitig müsste versucht werden, gesellschaftliche Kräfte real zu mobilisieren, die dann auch eine gewisse Kontrollmöglichkeit böten. Und die weiteren Etappen müssten skizziert werden: Widerstand des Kapitals, Notwendigkeit der Konfrontation mit den Herrschenden, Bruch mit der Profitlogik.

Wahlkampf und Flüchtlingsfrage

Es wäre verfrüht, heute festzulegen, wie genau der Bundestagswahlkampf aussehen sollte.  Aber natürlich gilt es – neben dem Umgang mit der Regierungsfrage (bzw. im Zusammenhang damit) – zum einen, Aufbau und Verankerung der Partei vor Ort über den Wahlkampf zu verfolgen, und zum anderen, das Wahljahr zu nutzen, Positionen der LINKEN in zentralen Fragen rüberzubringen.

Initiativen und die Beteiligung an Protesten gegen die AfD und Pegida sind nötig. Aber reflexartige Antworten, die bei Slogans wie „Nazis und Rassisten stoppen“ stehenbleiben, würden eine falsche Stoßrichtung bedeuten. Zentral ist zum einen, die Verbindung zur sozialen Frage rauszustellen und auf die Ängste in der arbeitenden Bevölkerung im Hinblick auf Schuldenbremse/Sozialausgaben einzugehen, und zum anderen, für eine Integration von Flüchtlingen in die Arbeiterbewegung zu streiten.

Zur sozialen Frage: SPD-Gabriel forderte in den Medien kurz vor den drei Landtagswahlen im März mehr Geld für Wohnungen und Soziales als Reaktion auf den Anti-Flüchtlingskurs der AfD. Gabriel nimmt das zu Recht niemand ab, er hat diese Vorschläge auch selbst gleich wieder einkassiert, aber DIE LINKE wäre gut beraten, in diese Richtung zu gehen.

Oft ist es gar nicht das Problem, WAS von der LINKEN gefordert wird, sondern WIE es geschieht. So gaben Wagenknecht und Bartsch z.B. im November 2015 eine bemerkenswerte Presseerklärung heraus, in der sie für ein 25 Milliarden Euro schweres öffentliches Investitionsprogramm, finanziert durch die Reichen, eintraten. Meist bleibt es aber bei solchen Presseerklärungen.

Nötig wäre es, Forderungen zugespitzt zu formulieren: „Für eine SONDERabgabe der Reichen“, „Wohnungen für ALLE“ … – verbunden mit griffigen Zahlen (eine Millionärssteuer von ein Prozent brächte ca. zehn Milliarden Euro etc.; in der EU stehen laut Guardian elf Millionen Wohnungen leer). Man stelle sich vor, die Linkspartei würde hierzu eine öffentlichkeitswirksame Kampagne starten (Massenflyer, Plakate, Talkshow-Auftritte, Stände/Kundgebungen). Auch der Slogan „Obergrenze für Reichtum“ ist propagandistisch gut und brauchbar.

Integration?

Viele in der Linken sagen, man dürfe sich die Losung nach Integration nicht zu eigen machen. Natürlich muss man aufpassen, dass man sich nicht vor den Karren der „Man spricht Deutsch“-Haltung der Bürgerlichen spannen lässt. Aber: Ghettobildung, menschenunwürdige Sammelunterkünfte etc. sind klar abzulehnen. Und den Rechtspopulisten fällt es einfacher zu punkten, solange MigrantInnen „Fremdkörper“ bleiben. Deshalb ist eine „Integration von unten“ statt von oben, eine Integration in die Arbeiterbewegung und nicht in die bürgerliche Gesellschaft, eine Schlüsselfrage. Dazu gehören Forderungen der Gewerkschaften nach kostenlosen Sprachkursen, einer sofortigen Aufnahme in den Arbeitsmarkt (was die IG Metall auch immerhin fordert), gegen ein Unterlaufen des Mindestlohns etc. Diese Debatten gilt es in die Betriebe zu tragen, was kaum organisiert passiert. Konkrete gewerkschaftliche Initiativen zur Integration können ein Beispiel vermitteln.

Den Gewerkschaften könnte auch vorgeschlagen werden, Untersuchungskommissionen in die Flüchtlingslager zu schicken, um sich ein eigenes Bild der „Fluchtursachen“ zu machen, also in die Lager in der Türkei, im Libanon, in Jordanien, in Südeuropa, in den angeblich „sicheren“ Ländern des Balkans.

Letztlich gilt es, nicht Flüchtlinge, sondern Fluchtursachen zu bekämpfen: Waffenexporte verbieten, Rüstungsproduktion stoppen, Konzerne in Gemeineigentum überführen (nur so ist eine wirksame Kontrolle möglich), für die Idee eines Europas von unten, für ein sozialistisches Europa, für einen demokratischen Sozialismus werben.

2017

Die Flüchtlingsfrage ist sicher nicht das einzige Wahlkampfthema. Weitere Schwerpunkte der LINKEN sollten die Wohnungsfrage, die Frage von Gesundheit und Bildung sein. Wobei diese Fragen nicht getrennt von der „Flüchtlingsfrage“, sondern im Kontext aufgeworfen werden sollten. Und, wie oben auf Berlin gemünzt, gilt es auch immer zu versuchen, soziale und betriebliche/gewerkschaftliche Gegenwehr zu unterstützen.

Wir denken, dass DIE LINKE auf diesem Weg – in einer recht komplizierten politischen Lage im Bundestagswahljahr 2017 – punkten und die Chancen auf einen weiteren Aufbau in Richtung einer kämpferischen, demokratischen und sozialistischen Partei verbessern könnte.