Die Konferenz „Erneuerung durch Streik“ diskutierte, wie Gewerkschaften ihre Kampfkraft erhöhen können
Artikel von Christoph Wälz in der bbz 01/2017 – Mitgliederzeitschrift der GEW Berlin
Im „Streikjahr“ 2015 sorgten insbesondere die Bewegung für eine Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes (SuE) und der Abwehrkampf der Post-Kolleg*innen gegen ihre Ausgliederung in Billigfirmen dafür, dass so viele Arbeitstage streikbedingt ausfielen wie seit 1992 nicht mehr. Viel streiken heißt aber nicht unbedingt gewinnen. So wurde der SuE-Abschluss sehr ambivalent bewertet und der Post-Kampf konnte eine Ausgliederung nicht verhindern.
Was können Gewerkschaften daraus lernen? Wie lässt sich die Streikbereitschaft und somit der Druck auf die Arbeitgeber*innen erhöhen? Um diesen und weiteren Fragen nachzugehen lud die Rosa-Luxemburg-Stiftung Aktive aus Gewerkschaften und Wissenschaft zur Konferenz „Erneuerung durch Streik“ ein. 700 Gewerkschafter*innen nutzten zum dritten Mal dieses Forum für Erfahrungsaustausch und Strategiedebatten.
Geprägt waren die Diskussionen in Frankfurt am Main von Erfahrungen des letzten Jahres, in dem die Zahl der Streiktage in die Höhe schoss. Und es ging um weit mehr als nur Schattenseiten des Arbeitskampfes. Denn in anderen Bereichen gab es eindeutige Erfolge. Vor dem Hintergrund des Personalnotstands in der Pflege konnte an der Berliner Charité mit einem Tarifvertrag zur Personalbemessung ein Durchbruch für den Gesundheitsschutz erzielt werden. Die Konferenz wertete die Streikerfahrungen der Charité intensiv aus und diskutierte die Lehren aus den neuen Partizipationsformen, dem Mittel der Stationsschließung und der erfolgreichen Solidaritätsarbeit. Bundesweit wollen Krankenhaus-Beschäftigte das erfolgreiche Beispiel nun nachahmen. Doch auch die Gegenseite lernt dazu. So hat der zuständige Arbeitgeber*innenverband alle Geschäftsleitungen angewiesen, keine weiteren Verhandlungen zu Entlastung und Gesundheitsschutz aufzunehmen. Eine Herausforderung für uns.
Neue Strategien gegen neue Hürden
„Vielfach zeigt sich“, so Ingrid Artus von der Uni Erlangen, „dass die Arbeitgeber die Sozialpartnerschaft weitgehend aufgekündigt haben und auf Konfrontation setzen.“ Wo früher noch galt, dass es nach ein paar Streiktagen schon einen Kompromiss geben wird, stehe nun oft Verweigerung. Diese Entwicklung wurde durch prekäre Arbeitsverhältnisse und zerklüftete Tariflandschaften begünstigt. Sie fordert uns heraus, eine größere Durchsetzungsfähigkeit praktisch anzugehen.
Jochen Nagel von der GEW Hessen forderte, sich angesichts unterschiedlicher Interessen der Beschäftigten verschiedener Branchen nicht spalten zu lassen. Ein Streikverbot für Beamt*innen und die zunehmend ungleiche Bezahlung der Beschäftigten an Schulen würden die Gewerkschaftsbewegung insgesamt schwächen. In Hessen verteidigt die GEW derzeit 6.000 verbeamtete Kolleg*innen in Disziplinarverfahren wegen der Teilnahme an Streiks. Unter großem Beifall sprach sich Nagel für ein statusunabhängiges Streikrecht für alle aus.
Doch leider ist das Streikrecht an sich in Gefahr. Das Tarifeinheitsgesetz aus dem letzten Jahr greift massiv in die Koalitionsfreiheit ein. Besonders im Flugverkehr wird das Streikrecht immer wieder durch Verbote und Verfügungen beschnitten.
Doch rechtliche Hürden können auch überwunden werden. So macht zum Beispiel das Urteil des Berliner Arbeitsgerichts über die Rechtmäßigkeit des GEW-Streiks im Jahr 2013 deutlich, dass Gerichte einer Gewerkschaft den Weg freimachen können. Durchsetzen muss sich diese dann aber selber. Das erfordert die Fähigkeit zu mobilisieren und – gerade in Bereichen, in denen Streiks keinen wirtschaftlichen Schaden erzeugen – politischen Druck zu entfalten.
Die Konferenz zeigte erneut das Bedürfnis einer wachsenden Schicht von Aktivist*innen, unsere Interessenvertretungen neu aufzubauen und zu stärken. Wir sollten – auch im weiteren Verlauf unserer Tarifbewegung der angestellten Lehrkräfte – beteiligungs- und konfliktorientierte Methoden und Strategien erproben und Erfahrungen dazu austauschen. Dann lässt sich das Motto der Konferenz, „Gemeinsam gewinnen!“, vielleicht auch bei uns umsetzen.
Der Autor ist aktiv in der GEW Berlin-Pankow und war Referent einer AG auf der Konferenz.