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Berlin, Sachsen, NRW… – Lehrkräfte-Streiks vor der Ausweitung?

Im Januar begann die GEW Berlin mit erneuten Warnstreiks der angestellten Lehrkräfte. Über 400 streikten am 26.01. an ausgewählten Schulen, am 17.03. waren es 3.500 in der ganzen Stadt. Die GEW Sachsen rief nun die Lehrkräfte in Dresden am 03.05. zum Streik auf, und in Leipzig und Chemnitz am 04.05. Diesem ersten Warnschuss schlossen sich über 500 Lehrkräfte an.

von Christoph Wälz, Mitglied der GEW Berlin

Es ist dringend nötig, dass die GEW in den Bundesländern, in denen die angestellten Lehrkräfte die Chance haben, sich gegen die Landesregierung durchzusetzen, entschieden den Arbeitskampf führt. Berlin geht dabei – wie schon 2013 – vorweg: Hier ruft die GEW für den 12. Mai zum dritten Warnstreik in der laufenden Auseinandersetzung auf. (Update: 3.800 streikende Lehrkräfte erhöhen in Berlin den Druck.)

Wir haben in einem anderen Beitrag den Hintergrund der Lehrkräfte-Streiks genauer erläutert. Im Kern geht es darum, mit einem eigenen Tarifvertrag gleiches Geld für gleichwertige Arbeit durchzusetzen, also eine Angleichung der Angestellten-Gehälter an die Beamten-Besoldung. Erschwert wird die Auseinandersetzung dadurch, dass der dbb (Beamtenbund), der nur eine verschwindend kleine Minderheit der angestellten Lehrkräfte organisiert, im März 2015 einen schlechten Tarifvertrag mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) abgeschlossen hat, den nun diverse Bundesländer auf alle neu abgeschlossenen Arbeitsverträge anwenden, unabhängig von der Mitgliedschaft der Beschäftigten in der einen oder der anderen Gewerkschaft. Diesem Vorgehen, das die Rechtsstellung der angestellten Lehrkräfte grundsätzlich verschlechtert, wird zum einen juristisch entgegengetreten. Zum anderen muss der Kampf für einen eigenen Tarifvertrag von den GEW-Landesverbänden jetzt forciert werden.

Die GEW hat im April 2015 beschlossen, die Auseinandersetzung um die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte erneut von der Bundesebene auf die Landesebene zu verlagern. Die Landesverbände Berlin und Sachsen haben beim Koordinierungsvorstand der GEW (KoVo) ein Verhandlungsmandat beantragt und bewilligt bekommen, um ihre Landesregierungen jeweils eigenständig herausfordern zu können. Die Tarifkommissionen in Berlin und Sachsen haben daraufhin eigene Forderungen erhoben.

Der Anteil der Angestellten an den Lehrkräften ist bundesweit extrem unterschiedlich. In vielen Bundesländern, in denen grundsätzlich verbeamtet wird, ist die GEW tarifpolitisch schwach aufgestellt. Anders sieht es in Sachsen aus, wo seit 1990 Lehrkräfte nur mit Arbeitnehmerstatus eingestellt werden, und in Berlin, wo der Senat seit 2003 grundsätzlich nicht mehr verbeamtet. Dort wächst der Anteil der Angestellten rapide an.

Ein dritter potentiell kampfstarker Landesverband ist Nordrhein-Westfalen. Dort wird zwar grundsätzlich auch verbeamtet und der relative Anteil der Angestellten ist nicht hoch. Allerdings gibt es in diesem großen Bundesland in absoluten Zahlen viele Angestellte: NRW stellt mit 40.000 Arbeitnehmer*innen Sachsen und Berlin in den Schatten. Deshalb wäre es strategisch ein großer Schritt vorwärts, wenn die GEW NRW ebenfalls den Weg des Arbeitskampfes einschlagen würde.

Auf dem  Gewerkschaftstag der GEW NRW, der vom 21. bis 23. April 2016 stattgefunden hat, haben die rund 400 Delegierten dazu nach kontroverser Debatte eine wichtige Entscheidung gefällt. So heißt es in einem mehrheitlich angenommenen Antrag, der in „forum„, der Mitgliederzeitschrift der GEW Köln, dokumentiert ist:

„Der Landesverband NRW führt vor den Herbstferien 2016 eine Konferenz der tarifbeschäftigten Lehrkräfte auf Landesebene durch, um über künftige Forderungen, Strategien und Aktionen der GEW NRW zu beraten. Eingeladen werden alle tarifbeschäftigte Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen und andere Interessenten. Auch ReferentInnen aus anderen Landesverbänden (u.a. Berlin, Sachsen), die ein Verhandlungsmandat vom KoVo für Tarifverhandlungen mit ihrem jeweiligen Landes-Arbeitgeber erhalten haben, werden eingeladen. Für die teilnehmenden Tarifbeschäftigten ergeht nach Anmeldung ein personenbezogener Streikaufruf (analog zu den SuE-Konferenzen), so dass die Beratung tagsüber erfolgen kann und selbst bereits eine erste Aktion/Nadelstich darstellt. Ein Mandat dafür wird beim HV [Hauptvorstand der GEW] beantragt. Mobilisiert wird mit einem aussagekräftigen Plakat, das an jede Schule geht und den Umstand benennt, dass keine Friedenspflicht herrscht und Streikgeld sowie Fahrtkosten bezahlt werden.“

Die GEW Berlin fordert seit Juni 2014 „eine breite, basisorientierte Einladung“ zu einer bundesweiten tarifpolitischen Konferenz, um „die Kampffähigkeit der GEW in allen Landesverbänden langfristig zu steigern“. Der Beschluss aus NRW geht jetzt in diese Richtung. Die für Juni 2016 geplante Konferenz der Bundestarifkommission sollte daran anknüpfen und weitere Schritte beschließen, um den Arbeitskampf der einzelnen Landesverbände bundesweit koordiniert voranzubringen.

Lesetipp: unsere Artikel zum Thema „Lehrkräfte“

Ein Gedanke zu „Berlin, Sachsen, NRW… – Lehrkräfte-Streiks vor der Ausweitung?“

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