Betrieb und Gewerkschaft, Hintergrund, Solidarität

“My right is your right!”

Aktiv werden für Kolleg_innen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus

von Vivien Hellwig, Mitglied im AK Undokumentierte Arbeit Berlin

Flüchtlinge brauchen unsere Solidarität“, heißt es auf der Startseite des DGB. Doch wie kann Solidarität in der Gewerkschaft ganz praktisch aussehen?

Es ist begrüßenswert, dass sich die Gewerkschaft öffentlich gegen Rassismus stellt, und nun Geflüchtete willkommen heißt. Diese Solidarität darf allerdings nicht vor der Gewerkschaftstür aufhören. Viele der Gewerkschaftsmitglieder engagieren sich aktiv in der Unterstützungsarbeit für Geflüchtete. Doch es ist an der Zeit, Geflüchtete und Menschen ohne Papiere als gleichwertige Kolleg_innen anzuerkennen, sie als Gewerkschaftsmitglieder zu werben und gemeinsam für faire Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

Der ungesicherte Aufenthaltsstatus und die Arbeitserlaubnis

Die Asylgesetzgebung ist kompliziert und wird gefühlt täglich verändert. Zuständigkeiten werden von der Bundes- zur Kommunalebene hin- und hergeschoben und Ausnahmen je nach politischer und ökonomischer Lage festgelegt. Deshalb ist es schwierig übersichtliche Aussagen über Asyl-, Aufenthalts- und Arbeitsrecht zu treffen.

Die Möglichkeit, nach einer gewissen Zeit eine Arbeitserlaubnis in Deutschland zu erhalten, haben nur Geflüchtete, die mit einer Aufenthaltsgestattung, einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender, einer Duldung oder einem Aufenthaltstitel in Deutschland leben.

Auf dem regulären Arbeitsmarkt ist es trotz Erneuerungen für diese Kolleg_innen nahezu unmöglich eine Beschäftigung aufzunehmen, geschweige denn eine ihren Qualifikationen entsprechende Arbeit zu finden. Die sogenannte „Vorrangprüfung“ ist nicht nur diskriminierend und befördert die Kolleg_inenn direkt in den Niedriglohnsektor, sie verhindert oft auch eine Arbeitsplatzvermittlung aufgrund langwieriger Verwaltungsabläufe. Diese können sich über Wochen hinziehen, so dass der Arbeitsplatz in der Zeit anderweitig vergeben wird. Die Pflicht zur Annahme von „Arbeitsgelegenheiten“ (1€- Jobs), die Einhaltung des Mindestlohns, Leiharbeit und Werkverträge seien hier nur kurz als Schlagwörter erwähnt.

Ausgeschlossen vom regulären Arbeitsmarkt sind die Menschen, die geflohen sind und bereits in anderen europäischen Ländern einen Aufenthaltstitel erhalten haben und nun nach Deutschland gekommen sind, in der Hoffnung hier ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Ausgeschlossen sind auch die Menschen, die geflohen sind und sich entschieden haben, keinen Antrag auf Asyl zu stellen und die Menschen mit einer Duldung, denen von der Ausländerbehörde ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde. Diesen Menschen ist es nicht gestattet in Deutschland eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen. Nehmen sie doch eine Arbeit auf, droht ihnen eine Strafe, die potenzielle Ausweisung und gegebenenfalls ein Einreiseverbot für Deutschland.

Unsicherer Aufenthaltsstatus = Unsichere Arbeitsbedingungen

Die Kolleg_innen arbeiten in Deutschland, mit und ohne schriftlichen Arbeitsvertrag. Ein Arbeitsverhältnis besteht in jedem Fall mit allen Rechten und Pflichten. Doch die Arbeitsbedingungen sind vor allem im irregulären Sektor katastrophal. Wochen- und auch monatelang wird kein Lohn für getane Arbeit bezahlt, Arbeitszeiten erstrecken sich weit über 12 Stunden und für ein paar Euro die Stunde leisten sie Arbeit ohne jeglichen Gesundheitsschutz.

Behördliche Willkür und Überlastung, keine Aufklärung über Rechte als Arbeitnehmer_innen und rassistische Umgangsweisen führen zu einer äußerst prekären Situation der Kolleg_innen. Gedroht wird oft mit der Polizei und damit mit Abschiebung oder Gefährdung des Asylverfahrens. In dieser unsicheren Lage ist es für viele schwierig, ihren Lohn einzufordern oder auf die Einhaltung von arbeitsrechtlichen und gesundheitsrechtlichen Standards zu bestehen. Die Unterstützung der Kolleg_innen ist gefragt.

Es bedarf der Solidarität von Kolleg_innen und der Gewerkschaft, damit Arbeitgeber und Politiker die sehr prekäre Situation von Menschen, die geflohen sind, nicht ausnutzen können, um arbeitsrechtliche Standards zu untergraben, weitere Ausnahmen beim Mindestlohn herbeizuführen oder am Gesundheits- und Arbeitsschutz bei Arbeitnehmer_innen zu sparen.

Zeigt Solidarität mit euren Kolleg_innen!

Arbeitsrechte, die in Deutschland erkämpft wurden, müssen für alle Menschen eingehalten werden, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Es ist Zeit, Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus als gleichwertige Kolleg_innen anzuerkennen und sich mit ihnen solidarisch zu zeigen. Es gibt viele Möglichkeiten dies zu tun.

Was kann jede/jeder einzelne von uns tun?

  • Stellung beziehen zu diskriminierenden und rassistischen Äußerungen.

  • Geflüchtete als Kolleg_innen anerkennen.

  • Mit den Kolleg_innen über ihre Rechte als Arbeitnehmer_innen sprechen. (mehrsprachige Flyer, siehe unten)

  • Informieren über Beratungsmöglichkeiten und Begleitung der Kolleg_innen dorthin. (Hier eine Liste von Anlaufstellen)

  • Informieren über Anlaufstellen zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse.

  • Anregen zu einer „Mustervereinbarung“ in eurem Betrieb für die Integration von Geflüchteten.

Was können Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Gewerkschaft sein?

  • Einsetzen dafür, dass die Einforderung von Arbeitsrechten nicht mit einer Gefährdung des Aufenthalts in Deutschland einhergeht.

  • Anerkennung dafür schaffen, dass vielen Kolleg_innen mit ungesichertem Aufenthaltsstatuts nichts anderes übrig bleibt, als ohne Papiere zu arbeiten. Das gilt für Menschen, die in Deutschland ohne Papiere leben, genauso wie für Asylsuchende und Menschen mit Duldung. Es muss innerhalb der Gewerkschaft ein Umgang mit dieser Realität gefunden werden.

  • Anerkennen, dass es sich bei Geflüchteten auch um Arbeitnehmer_innen handelt, die eine gewerkschaftliche Vertretung benötigen.

  • Unterstützung und Anerkennung von migrantischer Selbstorganisation

  • Schaffung von mehrsprachigen mobilen Beratungsangeboten als Schnittstelle zwischen Selbstorganisation und Gewerkschaft

  • Mitgliedschaft in der Gewerkschaft unabhängig vom Aufenthaltsstatus

  • Unkomplizierte Barzahlung von Mitgliedsbeiträgen, ohne Vorauszahlungen

  • Schaffung der Möglichkeit zum Rechtsschutz ab Eintrittsdatum

  • Niedrigschwelliger Zugang zu Arbeitsrechtsseminaren und Orten der Vernetzung

Was tun gegen Lohnbetrug – Bei Arbeit mit und ohne Papieren? (Als betroffene Person)

  • Notiere immer, wie viel und wann Du gearbeitet hast, die Art der verrichteten Arbeit, den Arbeitsort und wer Dir Anweisungen gegeben hat.

  • Mache Fotos von Dir bei der Arbeit, damit Du später Beweise hast.

  • Speichere SMS, die Du von Deinem_r Arbeitgeber_in erhalten hast.

  • Kenne Deine Arbeitskolleg_innen, deren Namen und wie Du mit ihnen in Kontakt treten kannst.

  • Hole Informationen über Deine_n Arbeitgeber_in ein: Name und offizielle Adresse des Unternehmens; bei Bauunternehmen ist auch der Name des Hauptunternehmens wichtig.

  • Mache Notizen über mündliche Vereinbarungen mit Deinem_r Arbeitgeber_in; wenn möglich, treffe Absprachen nur vor Zeug_innen.

  • Wende dich damit an die Gewerkschaft oder an eine geeignete Beratungsstelle

Der ehrenamtliche AK Undokumentierte Arbeit existiert seit März 2009 beim Fachbereich 13 im ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg und engagiert sich 1.) für die Durchsetzung von Arbeitsrechten von und 2.) eine stärkere gewerkschaftliche Solidarisierung mit Arbeitnehmer_innen mit prekärem Aufenthaltsstatus.

Infoflyer des DGB in 5 Sprachen


Asyl und Arbeit

Für Menschen, die mit einer Aufenthaltsgestattung, einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender, einer Duldung oder einem Aufenthaltstitel in Deutschland leben, gilt, sehr vereinfacht gesagt, ein Beschäftigungsverbot in den ersten drei Monaten nach Antragsstellung. Ab dem 4. Monat kann auf Anfrage eine Genehmigung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, dieses aber unter dem Vorbehalt der „Vorrangprüfung“, welche 15 Monate nach der Asylantragsstellung entfällt. Nach 4 Jahren ist es möglich auch ohne die Zustimmung der Arbeitsagentur eine Arbeit anzunehmen. Es bedarf immer der Zustimmung der Ausländerbehörde. Es sind weitere Ausnahmeregelungen zu beachten, insbesondere bei Menschen mit einer Duldung. Bitte immer eine entsprechende Beratungsstelle kontaktieren, um alle Möglichkeiten in Betracht ziehen zu können. (Mehr Infos gibt’s hier.)


Lesetipp:

Mindestlohn und „Flüchtlingskrise“: Das deutsche Kapital pocht auf Dumpinglöhne (Artikel von Björn Kaczmarek auf diesem Blog)

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