Betrieb und Gewerkschaft, Linksammlung

Schlichtungsergebnis abgelehnt, der Kampf für Aufwertung geht weiter!

Eine kommentierte Linksammlung und drei Vorschläge

Die Auseinandersetzung um eine Aufwertung für die Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste geht weiter. In den Mitgliederbefragungen von ver.di, GEW und auch dbb lehnte die überwältigende Mehrheit die Annahme des Schlichtungsergebnisses ab. Dieses hatte statt der von den Gewerkschaften geforderten Aufwertung nur magere Lohnerhöhungen vorgesehen, von denen zudem einige Beschäftigtengruppen komplett ausgenommen bleiben sollten.

Dass es in ver.di zur Mitgliederbefragung überhaupt gekommen war, ist einem bemerkenswerten Vorgang zu verdanken und unter anderem ein Ergebnis von außergewöhnlich großer Beteiligung von aktiven Kolleg_innen in dieser Auseinandersetzung. Möglicherweise zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik kam es zur Ablehnung eines Schlichtungsergebnisses durch die Basis gegen Empfehlung der eigenen Verhandler_innen. Die Arbeitgeber_innen geben sich pikiert. Immer wieder machten in den vergangenen Tagen die Vertreter_innen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) darauf aufmerksam, dass die Gewerkschaftsvetreter_innen in der Schlichtungskommission doch dem Ergebnis zugestimmt hätten. Auch sie sind solche Vorgänge nicht gewohnt!

Ver.di hatte frühzeitig auf ein hohes Maß an Selbstorganisierung und Beteiligung gesetzt. Unter anderem die Streikdelegiertenkonferenzen während des vierwöchigen Arbeitskampfes haben den Ausstand demokratisiert. Dann kam die Zwangsschlichtung und der Streikabbruch über die Kolleg_innen und verpasste diesen positiven Entwicklungen einen Dämpfer. Aber das Selbstbewusstsein blieb und führte dazu, dass zunächst Aktionen fortgesetzt wurden und auf der Streikdelegiertenkonferenz am 24. Juni in Frankfurt am Main gegen die Empfehlung von Frank Bsirske und den anderen Mitgliedern der Bundestarifkommission (BTK) die Mehrheit der Delegierten das Schlichtungsergebnis und eine Urabstimmung ablehnte, so dass es zur Mitgliederbefragung kam.

Auf Grundlage der eindeutigen Ablehnung vollzog Bsirske am 8. August dann in Fulda auf einer erneuten Streikdelegiertenkonferenz die öffentliche Abkehr von seiner bisherigen Haltung. Er erklärte die Schlichtung als gescheitert und kündigte neue Streiks an. Ihm folgte am 11.08. die BTK, Verhandlungen zwischen ver.di und der VKA am 13.08. endeten ergebnislos. Die Arbeitgeber_innen bleiben bei ihrer harten Haltung und bekräftigten, dass sie zu weiteren Zugeständnissen geschweige denn zu einer generellen Aufwertung nicht bereit seien. „Damit haben die Arbeitgeber die Weichen auf Fortsetzung der Streiks gestellt“ sagte Bsirske in einer ver.di Pressemeldung zu den gescheiterten Verhandlungen. Weitere Verhandlungen zwischen ver.di und der VKA sind nun auf Oktober vertagt worden.

Mit einem aus unserer Sicht sehr lesenswerten Beitrag hat sich der Vorsitzende der LINKEN und ehemalige Geschäftsführer des ver.di Bezirk Stuttgart, Bernd Riexinger, in der „jungen welt“ in die Debatte um die „Streikrepublik Deutschland“ eingebracht. In dem Beitrag „Vereint schlagen“ setzt sich Riexinger nicht nur mit dem Kampf im Sozial- und Erziehungsdienst, sondern auch mit dem beendeten Post-Streik, den Kämpfen bei Amazon, Charité und der Deutschen Bahn auseinander und fragt, „was sich aus den Erfahrungen der jüngsten Streikbewegungen lernen lässt“.

Beim Sozial- und Erziehungsdienst geht es nun in die Diskussionen darüber, wie genau ein zweiter Anlauf des Kampfes um Aufwertung aussehen kann und wie die Wiederaufnahme des Streiks möglich wird. Unser Autor Christoph Wälz hat sich auf diesem Blog dazu bereits ausführlich geäußert in „Soziale Berufe: Wie eine Aufwertung durchsetzen?.

Vor dem Hintergrund der neuen Entwicklungen halten wir es für sinnvoll festzuhalten, dass:

1.) Die Ablehnung des miesen Schlichtungsergebnisses ein Etappensieg auf dem Weg zu mehr Streikdemokratie und daher ein Schritt nach vorne für ver.di ist. Dieser Weg sollte unbedingt weiter beschritten werden, auch bei zukünftig anstehenden Entscheidungen während der Auseinandersetzung.

2.) Es ist gut, dass u.a. Bsirske seine Haltung geändert hat und sich nun hinter die Mehrheit der betroffenen Kolleg_innen stellt! Er sollte jetzt beim Wort genommen werden, auch wenn er zukünftig möglicherweise an seine Versprechen erinnert werden muss.

3.) Die Weichen sind auf Streik gestellt, aber der Zug fährt noch nicht. Das Ende der Schlichtung ermöglichst es, wieder an der Streikfähigkeit zu arbeiten und in intensive Diskussionen vor Ort und bundesweit darüber zu treten, unter welchen Bedingungen die Wiederaufnahme des Streiks und eine Erhöhung des Drucks auf die VKA, aber auch eine Erhöhung des politischen Drucks möglich wird. Wie schon in dem Aufruf der ver.di Betriebsgruppe der Werkstatt Bremen „Kein Abschluss ohne Aufwertung“ vom 29.06. gefordert, sollte sich jetzt die Zeit und der Raum genommen werden, die Schwierigkeiten der ersten Streikrunde offen zu benennen und Strategien zu entwickeln, diesen zu begegnen. Entschieden werden sollte auch die weitere Streikstrategie von den Kolleg_innen selbst.

Wir wollen uns zu Vorschlägen, die noch gar nicht wirklich gemacht wurden, nicht übereilt äußern. Aber einige vage Formulierungen, wie die der „unkonventionellen Streikformen“ und der „Unberechenbarkeit“ (Bsirske) stehen bereits im Raum. Wir haben den Anspruch, uns in die Diskussion über das „Wie weiter?“ einzubringen und werden entsprechende Beiträge auf diesem Blog veröffentlichen.

Zur Erinnerung daran, worum es geht:

Schon seit Jahren fordern die Gewerkschaften eine Aufwertung der Arbeit der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst durch neue Eingruppierungsvorschriften. Dabei geht es vor allem um die Neubewertung der Tätigkeiten, die über die Eingruppierung und damit Bezahlung entscheiden.

Die Eingruppierungen orientieren sich an einer 24 Jahre alten Regelung, für die zudem größtenteils seit 1970 formulierte Tätigkeitsmerkmale übernommen wurden. Sie entsprechen daher in keiner Weise den gewachsenen Ansprüchen an die Sozial- und Erziehungsarbeit. Zudem gelten die Sozial- und Erziehungsberufe noch immer als „typische“ Frauenberufe und sind als solche besonders schlecht bezahlt. Trotz der anspruchsvollen und notwendigen Arbeit wird ihnen die entsprechende Anerkennung versagt.

2009 wurde bereits dreizehn Wochen lang gestreikt. Der Kampf endete jedoch damals nur mit einem „Einstieg in die Aufwertung“ (ver.di). Im Durchschnitt würde eine Aufwertung auf 10 Prozent mehr Lohn hinauslaufen.